Fusion: LSE und Deutsche Börse
Eine mögliche Fusion der London Stock Exchange (LSE) und der Deutschen Börse führt seit einigen Tagen zu einer Vielzahl von Spekulationen in den unterschiedlichsten Medien – ganz so wie in früheren Zeiten, als große Unternehmenszusammenschlüsse noch üblich waren. Aber was macht gerade diese Fusion so interessant? Sie hat das Potenzial die Struktur des gesamten britischen und deutschen Marktes zu verändern – und möglicherweise auch europäische und globale Abläufe. Beide Institutionen dominieren auf ihren Heimatmärkten. Beide Institutionen haben komplementäre Ambitionen und Fähigkeiten. Eine Fusion würde die größte Börsen-Gruppe der Welt schaffen.
Aber was bedeutet das für den Finanzmarkt insgesamt? Sechzehn Jahre nach dem ersten Fusionsversuch (und elf Jahre nach dem Zweiten) ist der Prozess immer noch am Anfang. Spekulationen darüber, wie das Unternehmen nach einem Zusammenschluss aussehen könnte, sind daher noch unangemessen. Wir können höchstens die verschiedenen Möglichkeiten und deren Auswirkungen auf den Handel in Betracht ziehen.
Technische Herausforderung
Aufgrund der unterschiedlichen Struktur der beiden Organisationen kann es sehr gut sein, dass sich die Funktionsweise des deutschen und des britischen Marktes nach der Fusion verändert. Die LSE betreibt ausschließlich eine Handelsplattform, die es Teilnehmern ermöglicht, ihre eigenen Clearing- und Abrechnungssysteme zu nutzen. Die Deutsche Börse hingegen hat ihr Angebot vertikalisiert und bietet neben der Handelsplattform auch Clearing- und Abrechnungssysteme , die von den Teilnehmern genutzt werden müssen. Eine neue Struktur müsste zudem die neuen MiFID- und MiFIR-Anforderungen und deren Auswirkungen beachten.
Die Frage ist, welchem Model das Unternehmen nach einem Zusammenschluss folgen würde? Das ist zu diesem Zeitpunkt noch schwer zu beantworten. Anbieter und Teilnehmer sollten die Entwicklungen jedoch genau beobachten. Es ist sehr wahrscheinlich, dass eine Veränderung – egal auf welcher Seite – auch eine erhebliche Marktveränderung mit sich bringen wird.
Zudem stellt sich die Frage, welchen Standort LSE und Deutsche Börse nach der Fusion wählen würden. Wenn beide Einheiten zusammengeführt werden, was macht das das mit den Latenzzeiten und der Veröffentlichung von Marktdaten?
Effizientere Märkte – geringere Margenerfordernisse
Neben der Marktstruktur sollte außerdem betrachtet werden, was ein möglicher Zusammenschluss für den Handel bedeutet. Mit der Fusion bildet sich ein massiver Liquiditätspool, der sich über nationale Grenzen erstreckt und den Markt damit positiv beeinflusst. Außerdem fördert ein größerer Liquiditätspool den effizienteren Austausch und die leichtere Preisbildung. In der Praxis wird aber trotzdem viel von den Transaktionskosten abhängen.
Einer der größten Vorteile des Zusammenschlusses der beiden Unternehmen ist die Möglichkeit der Börsenvernetzung – vor allem wenn man den Aktienhandel auf den LSE-Märkten betrachtet. Geringere Margenerfordernisse, die aus der Vernetzung resultieren, bedeuten niedrigere Margenkosten und führen zu einem Anstieg des Handels. Wenn die LSE ihr Derivatgeschäft ausbaut, kann das verfügbare Kapital aufgrund der höheren Margenerfordernisse der Derivatgeschäfte exponentiell steigen.
Was auch immer die Diskussionen über die Fusion ergeben werden, klar ist, dass dieser Deal weitreichende Folgen haben wird. Dienstleiter im Kapitalmarkt sollten den Prozess genau im Auge behalten, um ihre Kunden weiterhin bestmöglich bedienen zu können. Vielleicht sollten sich pragmatische Dienstleister sogar schon auf das wahrscheinlichste Szenario vorbereiten – damit sie im richtigen Moment ihre Lösungen bereits ihren Kunden zur Verfügung stellen können.